Verfassungsgerichtsbarkeit
Zusammenarbeit mit Verfassungsgerichten
Der Austausch von Informationen und Ideen zwischen alten und neuen Demokratien im Bereich der Rechtsprechung ist von höchster Bedeutung. Deshalb hat die Venedig- Kommission bereits im Jahre 1992 beschlossen, ein Dokumentationszentrum zu schaffen, um die Entscheidungen der nationalen Verfassungsgerichte oder äquivalenter Instanzen zu sammeln, um einen gegenseitigen Informationsaustausch zu gewährleisten und die interessierte Öffentlichkeit über die Entscheidungen zu informieren.
Zu diesem Zweck hat die Kommission ein Netz von Korrespondenten bei den verschiedenen Rechtsprechungen aufgebaut.
Dreimal pro Jahr, tragen diese bei zum Bulletin on Constitutional Case-Law sowie zu CODICES, der Datenbank der Kommission, die zusammen mit ihrer Bibliothek und dem "Venedig-Forum" der Kern des Dokumentationszentrums über die Verfassungsgerichtsbarkeit bilden. Das Venedig-Forum erlaubt schnell und vertraulich Informationen zwischen den Gerichten zu aktuellen Fragen ihrer Rechtssprechung auszutauschen.
Die Gründung des Gemeinsamen Rates für Verfassungsgerichtsbarkeit hat diese Zusammenarbeit zwischen den Verfassungsgerichten und der Venedig-Kommission institutionalisiert und unterstreicht die Wichtigkeit dieser Zusammenarbeit.
In der Absicht, die Position der Verfassungsgerichte als Bürgen der Verfassungsrechte und der Rechtsstaatlichkeit zu verstärken, hat die Venedig-Kommission seit 1996 eine Reihe von Seminaren mit den Verfassungsgerichten organisiert.
Auf der Basis von Artikel 3 des revidierten Statuts der Kommission leitet der gemeinsame Rat für Verfassungsgerichtsbarkeit die Aktivitäten des Dokumentationszentums zur Verfassungsgerichtsbarkeit. Der Rat hat einen Doppelvorsitz, der die Verfassungsgerichte sowie die Unterkommission für Verfassungsjustiz repräsentiert. Dieser Doppelvorsitz unterstreicht die Wichtigkeit der an dieser Kooperation teilnehmenden Gerichte.
RECHTSPRECHUNG
Das im Januar 1993 veröffentlichte Bulletin on Constitutional Case-Law, enthält Zusammenfassungen der wichtigsten Entscheidungen, die von den der Verfassungsgerichten und äquivalenten Institutionen von etwa 50 Ländern sowie vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften beigetragen werden.
Das Bulletin erscheint dreimal pro Jahr in Englisch und Französisch. Jede Ausgabe informiert über die wesentlichen Entscheidungen der letzten vier Monate. Die Beiträge zum Bulletin werden von den Korrespondenten geliefert, die von den Gerichte ernannt wurden.
Um dem Leser zu erlauben, die Rechtsprechung der Gerichte in ihrem Zusammenhang zu verstehen, vervollständigt eine Reihe von Sondernummern des Bulletins, etwa mit Beschreibungen der Gerichte oder der grundlegenden Texte (Verfassungsauszüge und Gesetze über die Gerichte) die regelmäßigen Ausgaben.
Eine neue Serie von Sondernummern präsentiert Leitentscheidungen, die von den teilnehmenden Gerichten vor der Erscheinung des Bulletins im Jahre 1993 herausgegeben wurden.
Das Ziel des Bulletins ist es, den Informationsaustausch zwischen den Gerichten zu fördern und den Richtern zu helfen, heikle Rechtsfragen die sich oft gleichzeitig in verschiedenen Ländern stellen, zu lösen.
Das Bulletin ist ebenfalls ein nützliches Instrument für die Wissenschaft und die interessierte Öffentlichkeit. Diese Art von Austausch und von Zusammenarbeit nützt nicht nur den neu entstandenen Verfassungsgerichten in Mittel- und Osteuropa, sondern bereichert auch die Rechtsprechung ihrer Kollegen in anderen Ländern.
Die Datenbank CODICES wurde vom Sekretariat der Kommission in Straßburg entwickelt. Sie entspricht ungefähr 100.000 Seiten gedruckten Textes . Zusätzlich zu den bisher etwa 4000 Zusammenfassungen (précis), die im Bulletin veröffentlicht wurden, enthält die CODICES mehr als 5.000 Volltexte der Entscheidungen, die Mehrzahl auf Englisch oder auf Französisch, aber auch in 24 anderen Sprachen. Alle Sondernummern des Bulletins sowie die Verfassungen sind ebenfalls in CODICES enthalten.
CODICES ist auf CD-ROM sowie im Internet verfügbar. Die Aktualisierung erfolgt im Rhythmus der Veröffentlichung des Bulletins, also dreimal pro Jahr.
Wie das Bulletin baut auch CODICES auf dem Systematischen Thesaurus auf, der regelmäßig auf den neuesten Stand gebracht wird, um neue Entwicklungen im Bereich der Verfassungsgerichtsbarkeit zu berücksichtigen. Dieser Thesaurus erlaubt es, in der Datenbank nach bestimmten Themen zu suchen, wie zum Beispiel Redefreiheit oder Unschuldsvermutung.
Das Bulletin on Constitutional Case-Law sowie CODICES ermöglichen allen interessierten Personen die weder Polyglotten sind, noch über eine spezialisierte Bibliothek verfügen, den Zugriff zu für sie anderweitig schwer zugänglichen Informationen.
Diese Veröffentlichungen vereinfachen in hohem Maße die vergleichende Arbeit der Juristen und erlauben ihnen, sich von Lösungen leiten zu lassen, die in anderen Ländern schon, insbesondere im Bereich der Grundrechte, gefunden wurden.
Die rechtswissenschaftlichen Unterschiede zwischen Verfassungsgerichten folgen immer mehr einem gewollten und nicht zufälligen Konzeptionsunterschied. Somit ist der Datenfluss ein mächtiger Motor des länderübergreifenden Verfassungsaustausches, der den Gerichten erlaubt, sich von der Verfassungspraxis ihrer Kollegen leiten zu lassen.
Auf Anfrage mehrerer Verfassungsgerichte, hat die Venedig-Kommission, eine Seminarreihe mit Institutionen aufgebaut. Diese sogenannten CoCoSem-Seminare, von denen einige gemeinsam mit anderen internationalen Institutionen oder im Rahmen des UniDem-Programms der Kommission organisiert worden sind, haben seit 1996 in Albanien, Armenien, Aserbaidschan, Kroatien, Estland, Frankreich, Georgien, Kirgistan, Lettland, Litauen, Moldawien, Polen, Rumänien, Russland, der Slowakei und der Ukraine stattgefunden. Die Themen variieren dabei von praktischen Fragen wie dem Budget der Verfassungsgerichte hin zu Rechtsstaatsgrundsätzen wie etwa der Gewaltteilung .
Zusätzlich zu den Seminaren hat die Kommission eine Studie über die Zusammensetzung der Verfassungsgerichte unternommen.
Auf der Basis des Rechts und der Praxis der Verfassungsgerichte und den Entscheidungen in vierzig Ländern, untersucht die Studie zahlreiche Aspekte ihrer Zusammensetzung, die von der Nominierung bis zur Altersgrenze und Dauer des Mandats der Richter reichen.
Die Schlussfolgerungen geben Leitlinien zur die Zusammensetzung der Verfassungsgerichte für Legisten und Theoretiker.